von Prof. Dr. Tonio Walter, Regensburg (1)

Fragen des sprachlichen Stils sollten den Juristen vom ersten Tag seines Studiums an beschäftigen, denn der Jurist braucht die Sprache »wie der Zahnarzt den Bohrer« (so treffend der frühere Präsident des Bundesgerichtshofes Odersky im ZRP-Rechtsgespräch mit Rudolf Gerhardt, ZRP 1996, 455). Der folgende Beitrag soll an diese Fragen heranführen und die wichtigsten auch beantworten. Etwas ausführlicher unternimmt dies der Verfasser in seiner »Kleine Stilkunde für Juristen« (2002).

Dieser Artikel aus der JURA Heft 5/2006 erscheint mit freundlicher Genehmigung des Autors und der De Gruyter Rechtswissenschaften Verlags-GmbH.

I. Einleitung

Verstanden als Stil juristischer Texte hat der Stil des Juristen drei Grundsätze:

– Inhalt vor Schönheit,
– Klarheit vor Schönheit und
– Schönheit vor Schund.

Bevor wir uns mit diesen Grundsätzen befassen, sei klargestellt, worum es nicht geht. Es geht nicht darum, was richtiges Deutsch ist und was falsches. Vielmehr ist die Fähigkeit, zwischen beiden zu unterscheiden, dem Folgenden vorausgesetzt. Wohl gibt es zahlreiche Zweifelsfälle auch für Kenner unserer Sprache. Es ist im Rahmen dieses Beitrages aber schlicht kein Raum, sie auch nur halbwegs erschöpfend zu behandeln.

Nur zwei Fehler will ich erwähnen, weil sie besonders häufig sind und man sie leicht vermeiden kann.

Erstens das »derer«: Noch die besten Autoren verwenden es verkehrt, und zwar auch dort, wo »deren« stehen müsste. »Derer« darf nur und ausschließlich an Stelle eines »derjenigen « Verwendung finden: Die Klagen derer, die keinen Anspruch hatten, wies der Richter ab. Sonst heißt es »deren«: Es gibt zwei Hinweise, auf Grund deren die Polizei ermittelt.

Das zweite ist der Gebrauch des Bindestrichs. Das Deutsche gewährt wie nur wenige Sprachen die Freiheit, aus seinen Wörtern neue Begriffe zu bilden. Oft ist der neue Begriff nur ein Wort, etwa die Einmonatsfrist. Schon in diesen Fällen darf man die Worte aber auch selbständig lassen, und gerade Juristen müssen dies zuweilen tun, weil man – zum Beispiel – weder von einem Nebisinidemprinzip schreiben sollte noch von einer Großfestschrift (wenn sie Herrn oder Frau Groß ehren soll). Es sind dann Bindestriche zu setzen, und dieser Plural ist ernst gemeint: Wenn der neue Begriff aus drei oder mehr Worten besteht, dann gehört zwischen alle Worte ein Bindestrich.

Denn es hat zwar einen Karl Schmidt-Rottluff gegeben, aber keinen Eberhard Schmidt-Festschrift, sondern nur eine Festschrift für Eberhard Schmidt oder eben eine Eberhard-Schmidt-Festschrift. Und eine prima facie-Betrachtung mag eine prima Sache sein, ist aber falsches Deutsch. Übrigens ist der neue Begriff auch groß zu schreiben: Prima-facie-Betrachtung.

Jetzt zum juristischen Stil und seinem ersten Grundsatz:

II. Inhalt vor Schönheit

1. Suche das treffende Wort

Banaler wird es aber nicht mehr? werden Sie vielleicht mit leichter Sorge fragen, und ich muss Ihnen leider antworten: Doch, gleich unter der nächsten Überschrift (»Fasse dich so kurz wie möglich«). Aber so banal diese Regeln sind, so groß ist auch die Zahl der Verstöße. Und den meisten Lesern dürften diese Verstöße nicht einmal bewusst sein; sie haben nur beim Lesen unterschwellig das Gefühl, kaum auf Bedenkenswertes zu stoßen. Anders gesagt fehlt ihnen das Gefühl: So ist es. Und dieses Gefühl will man ihnen doch geben!

Hierzu ein harmloses Beispiel, das aber gerade in seiner Harmlosigkeit zeigt, wie genau es der Schreibende nehmen sollte. Man denke sich einen Mieter, der eine weitere Person in seinen Haushalt aufnehmen und daher den Mietvertrag ändern will. Der Vermieter lehnt das ab. Nun mag es heißen: »Auf Grund der abgelehnten Vertragsänderung kündigt der Mieter.« Der Mieter kündigt aber nicht auf Grund einer Vertragsänderung, welche die besondere Eigenschaft hat, abgelehnt worden zu sein (das ist die Aussage unseres Satzes).

Sondern er kündigt, weil es der Vermieter ablehnt, den Vertrag zu ändern. Wer es aber versäumt, bei jedem Wort genau zu sein, sagt leicht Dinge, die er nicht sagen will. Der Zweite Strafsenat des Bundesgerichtshofes hatte jüngst zu entscheiden, ob die Gewalt im Rahmen eines Raubes (§249 StGB) auch in einem Unterlassen bestehen könne. Er hat diese Frage im Ergebnis mit Ja beantwortet. Zur Begründung heißt es unter anderem, der Unrechtsgehalt solchen Unterlassens entspreche dem aktiver Gewalt, »gerade wenn« das Unterlassen zeitlich und räumlich dicht auf ein tätiges Ausüben von Gewalt folge (BGHSt. 48,365 [371]). »Gerade wenn« bedeutet: In allen Fällen und hier ganz besonders.

Sagen wollte der Senat aber wohl: Zumindest hier und in anderen Fällen wohl auch, vielleicht aber auch nicht. Dann muss es »jedenfalls wenn« heißen.

Das Ringen der Juristen um treffende Worte treibt allerdings zuweilen auch seine Blüten. So hat es in der NJW vorletzten Jahres eine Leserbriefkontroverse darum gegeben, ob die amtlichen Vordrucke für das Mahnverfahren in Ordnung seien, wenn sie davon sprächen, dass der Gläubiger Zinsen verlange in Höhe von 5 Prozent (%) über dem Basiszinssatz statt in Höhe von 5 Prozentpunkten darüber; denn, so die einen, nur 5 Prozentpunkte über (zum Beispiel) 1,22 Prozent ergäben 6,22 Prozent, während 5 schlichte Prozent über 1,22 Prozent nur 1,281 Prozent seien, eben 1,22 plus 5 Prozent von dieser Zahl (2). Das ist im Ansatz lobenswert, nämlich genau gedacht, schießt aber über das Ziel hinaus; denn wo sich eine Prozentzahl auf eine andere Prozentzahl bezieht im Sinne eines mehr oder eines weniger, da liegt es ziemlich fern, von den Prozenten noch einmal Prozente zu nehmen. Wenn ein Geschäft 10 Prozent Rabatt gewährt und ein Konkurrent verspricht »5 Prozent mehr«, dann weiß der Kunde, dass er dort 15 Prozent Rabatt bekommt und nicht 10,5 Prozent.

Zum Schluss noch ein Beleg dafür, dass es nur ein bescheidener Schritt ist von der Ungenauigkeit zur Stilblüte, entnommen einem Text zu den vier Tatbestandsvarianten des § 326 StGB (Unerlaubter Umgang mit gefährlichen Abfällen): »Erstere Abfälle (Alternativen 1-3) dienen unmittelbar dem Schutz des Menschen, letztere dem Schutz der Umwelt.« Es sind natürlich die Verbote aus dieser Norm, die Mensch und Umwelt schützen sollen.

2. Fasse dich so kurz wie möglich …

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hatte vor kurzem darüber zu entscheiden, was unter den »Entlassungen« zu verstehen sei, um die es in einer EG-Richtlinie zu Massenentlassungen geht (3): jeweils schon die Kündigungserklärung des Arbeitgebers oder erst, wie im deutschen Recht, das Ende des Arbeitsverhältnisses? Nach einer Reihe von Erwägungen heißt es in der Entscheidung unter der Nummer 39 und bevor sich der Text einer zweiten Auslegungsfrage zuwendet:

Daher ist auf die erste Frage zu antworten, dass die Art. 2 bis 4 der Richtlinie dahin auszulegen sind, dass die Kündigungserklärung des Arbeitgebers das Ereignis ist, das als Entlassung gilt.

Der Kern dieser Aussage lautet: Entlassung = Kündigungserklärung. Und es bedarf um diesen Kern herum kaum einer Ergänzung; nicht einmal des Hinweises darauf, dass es um eine Auslegung gehe, denn das versteht sich von selbst. Man könnte also schlicht schreiben: Daher ist die Entlassung in den Artikeln 2 bis 4 der Richtlinie die Kündigungserklärung des Arbeitgebers.

3. … aber nicht kürzer!

Wenn Sie einen Text schreiben, sind Sie mit seinem Gegenstand – hoffentlich – vertraut. So vertraut, dass Ihnen manches selbstverständlich erscheint, das gar nicht selbstverständlich ist. Es besteht dann die Gefahr, dass Sie mehr kürzen, als gut ist. Um ihr zu entgehen, sollten Sie Ihr Ergebnis nach dem letzten Punkt auf keinen Fall aus der Hand geben, sondern eine Weile, mindestens einen Tag liegen lassen und dann noch einmal nüchtern und in aller Ruhe lesen. Es mag sich dabei manches Nicht-aha-Erlebnis einstellen, und dann sollten Sie einige klärende Worte oder gar Sätze ergänzen. So schrieb Heinrich Henkel in seinem Lehrbuch zur Rechtsphilosophie über die einzelnen Disziplinen der Dogmatik:

Entsprechend der sachlichen Gliederung des geregelten Rechtsstoffes teilen sich die dogmatischen Einzeldisziplinen in die Bearbeitung der zusammengehörigen Normenkomplexe, die auf diese Weise voneinander abgegrenzt sind.

Das ist zwar kurz, aber unverständlich. Vor allem deshalb, weil dieser eine Satz eigentlich zweierlei sagen will, erstens: Die Einzeldisziplinen der Dogmatik entsprechen der Gliederung des Rechts; allerdings nicht der formalen Gliederung in einzelne Gesetze, sondern der sachlichen Gliederung in Rechtsgebiete, etwa in das Zivilrecht, das Zivilprozessrecht und so weiter. Zweitens: Gesetze und Rechtsgebiete decken sich nicht, weil das einzelne Gesetz ein Thema selten erschöpft. So regelt die StPO nicht das gesamte Strafprozessrecht, sondern wird durch einen Teil der Verfassung, des Gerichtsverfassungsgesetzes und anderer Gesetze ergänzt. Umgekehrt haben viele Gesetze thematische Einsprengsel aus anderen Rechtsgebieten; zum Beispiel enthält das Strafgesetzbuch mit den Vorschriften zum Strafantrag und zur Bewährung auch prozessuale Normen.

Der Leser verkraftet pro Satz nur einen Gedanken. Mehr sollte man ihm auch dann nicht zumuten, wenn der Text dadurch insgesamt kürzer würde. Und überhaupt gilt ohne Ausnahme: Nie darf die Kürze eines Textes auf Kosten seiner Verständlichkeit gehen. Sonst ist der Text nur scheinbar kurz, da er dem Leser mehr Zeit abverlangt als die räumlich längere Fassung.

III. Klarheit vor Schönheit

Dass ein Text brauchbaren und knapp gefassten Inhalt hat, ist noch keine Gewähr dafür, dass dieser Inhalt auch – im doppelten Sinne – gut ankommt. Er muss lesbar verpackt sein, und das verlangt zunächst

1. übersichtliche Sätze!

Viele meinen, übersichtliche Sätze seien notwendig kurz, zumindest nicht lang. Das ist falsch. Auch lange Sätze können übersichtlich sein, sofern sie nur jener Regel folgen, auf die es in Wirklichkeit ankommt: Halte jene Teile des Satzes, die zusammen gehören, so eng beieinander, dass der Zwischenraum höchstens 12 Silben beträgt. Warum 12 Silben? Weil 12 Silben beim Lesen rund 3 Sekunden entsprechen und das menschliche Kurzzeitgedächtnis nach dieser Zeit den Arbeitsspeicher löscht, besser gesagt mit neuen Informationen füllt.

Das mag jeder an sich selbst erproben, indem er ein sogenanntes Kippbild betrachtet. Ein bekannteres Bild dieser Art zeigt am linken Rand den Kopf eines Mannes im Scherenschnittprofil mit dem Blick nach rechts, gegenüber dasselbe Profil mit umgekehrter Blickrichtung, und der helle Raum dazwischen hat die Gestalt einer kunstvoll geschwungenen, kelchartigen Schale. Der Betrachter sieht zunächst entweder zwei dunkle Profile auf hellem Grund oder eine helle Schale auf dunklem Grund, und irgendwann, genauer: nach rund drei Sekunden, kippt das Bild und sieht er das andere Motiv. Drei Sekunden sind allerdings ein Durchschnittswert.

Denk- und auffassungsschnelle Menschen können einen Sinnbogen problemlos auch über 20 und mehr Silben schlagen. Doch hat ein Text nicht nur solche Leser, sind auch solche Leser zuweilen außer Form und ist vor allem jeder Leser dankbar, wenn er einen Satz ganz ohne inneren Spagat lesen darf.

Verwehrt haben ihm dies die Verfasser des Artikels 4 einer EG-Richtlinie über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen, dessen Absatz 1 lautet:

Die Missbräuchlichkeit einer Vertragsklausel wird unbeschadet des Artikels 7 unter Berücksichtigung der Art der Güter oder Dienstleistungen, die Gegenstand des Vertrages sind, aller den Vertragsabschluss begleitenden Umstände sowie aller anderen Klauseln desselben Vertrages oder eines anderen Vertrages, von dem die Klausel abhängt, zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses beurteilt. (4)

Zieht man das »wird« und das »beurteilt« zusammen und sorgt auch sonst dafür, dass Zusammengehöriges miteinander die (höchstens) 12-Silben-Fühlung hält, so werden drei überschaubare, unverschachtelte Sätze daraus:

Ob eine Vertragsklausel missbräuchlich ist, wird für den Zeitpunkt des Vertragsabschlusses beurteilt. Dabei ist zu berücksichtigen, welcher Art der Vertragsgegenstand ist, welche Umstände den Vertragsabschluss begleiten und wie der übrige Vertrag oder ein anderer Vertrag lautet, von dem die fragliche Klausel abhängt. Artikel 7 bleibt unberührt.

2. Meide Verneintes!

Am leichtesten versteht der Mensch die Aussage, dass etwas tatsächlich ist oder getan wird, also eine positive Aussage; egal ob über die Vergangenheit, Gegenwart oder Zukunft. Dass etwas nicht sei oder von keinem getan werde, versteht man zwar oft ähnlich leicht, doch eben nur ähnlich und nie genauso leicht. Grund ist die logische Operation, die ein »nicht« oder »kein« verlangt. Der Verstand ist dabei zwei Befehlen ausgesetzt, etwa bei dem Satz »Das hat er nicht gesagt« dem Befehl: Denke den Vorgang des Sagens! Sowie: Und jetzt verkehre das Gedachte ins Gegenteil! Das kostet ein Quäntchen Denkenergie, und wo möglich sollte man dem Leser selbst diesen Aufwand ersparen.

Oft ist es ohne weiteres möglich, die Negation zu vermeiden – wie in diesem Satz, der »vermeiden« sagt statt »nicht gebrauchen« und »statt« statt »und nicht«. So gibt es viele positive Begriffe mit verneinendem Sinn, etwa Unterlassen, Verschweigen, Übergehen, Verweigern, Verstummen, Stillhalten und so fort. Ist schon die einfache Verneinung bedenklich, so ist die doppelte Verneinung ein kaum zu milderndes sprachliches Unglück.

Für den Leser gilt das praktisch ausnahmslos (wobei »ausnahmslos « einer der Fälle ist, die das einschränkende »praktisch« verlangen, denn ohne Ausnahme ist selbst eine doppelte Verneinung mit dem positiven Sinn von »immer«). Besonders schaurig wird es, wenn die doppelte Verneinung mit einem dritten oder gar vierten Nein aneinander gerät wie in folgendem Leitsatz von BGHSt. 27, 196:

Beruht die Unzuständigkeit des Bundeskartellamtes zur Verfolgung einer unzulässigen Preisempfehlung (§ 38 Abs. 1 Nr. 12 GWB) allein darauf, dass die Wirkung dieser Ordnungswidrigkeit nicht über das Gebiet eines Landes hinausreicht (§44 Abs. 1 Nr. 1 d und 3 GWB), so ist der von ihm erlassene Bußgeldbescheid nicht deshalb unwirksam, weil er nicht von der zuständigen Landeskartellbehörde erlassen worden ist.

Unwirksam ist jedenfalls solcher Stil! Er lässt sich mit wenigen Handgriffen verbessern, das heißt positivieren:

Fehlt dem Bundeskartellamt nur deshalb die Zuständigkeit, eine verbotene Preisempfehlung zu verfolgen (§ 38 Abs. 1 Nr. 12 GWB), weil sich die Wirkung dieser Ordnungswidrigkeit auf das Gebiet eines Landes beschränkt (§ 44 Abs. 1 Nr. 1 d und 3 GWB), so ist sein Bußgeldbescheid wirksam, obwohl ihn eine andere als die zuständige Landeskartellbehörde erlassen hat.

Und der Schluss lässt sich noch vereinfachen: »… so ist sein Bußgeldbescheid gleichwohl wirksam«. Denn es ist selbstverständlich, dass der Bescheid aus anderen Gründen sehr wohl unwirksam sein mag.

Neben den Schwierigkeiten für den Leser stehen als Folgen doppelter Verneinung die Gefahren für ihren Verfasser. Denn in etwa einem von zehn Fällen verneint er das zweite Mal aus Versehen und sagt dann das Gegenteil dessen, was er sagen will. Solche Fehler finde ich etwa einmal pro Monat, auch bei geübten Autoren. Ein Beispiel aus einem aktuellen Aufsatz:

Der EGMR hat bereits bestehende Präjudizien zu einem allgemeineren Verbot erweitert, die Rechtsbindung der Vertragsstaaten nicht durch den Einsatz von Privatpersonen bei der Strafverfolgung zu umgehen.

Abgesehen von der zweifelhaften Steigerungsform des »allgemeineren « Verbots – »allgemein« hätte vollauf gereicht -, ist natürlich von einem Verbot die Rede, eine Rechtsbindung zu umgehen (statt davon, dies nicht zu tun).

3. Fremdwörter nur, wenn man sie wirklich braucht!

Man muss kein Nationalist sein, um vor dem Fremdwort zu warnen. Es genügt der Wunsch, einen Text so verständlich zu machen, wie es eben geht. Denn zwar mag dem Leser bekannt sein, was ein bestimmtes Fremdwort heißt.

Doch bin ich erstens schon über eine ganze Reihe von Fremdwörtern gestolpert (hier passt dieses Wort), bei denen es in meinem Fall anders war; ich bitte um Nachsicht, wenn ich keine Beispiele nenne. Und zweitens ist ein solches Kennen ein intellektuelles Wissen der Art, in der man zum Beispiel auch weiß, dass ein »C« an einem italienischen Wasserhahn für »caldo« = warm steht und ein »F« für »freddo« = kalt. Aber viel schneller, nämlich ohne Überlegung, verstände man einen roten und einen blauen Punkt an dem Hahn, denn mit rot verbindet jeder Mensch Wärme und mit blau Kälte; man kann den Sinn dieser Farben nicht nur erfassen, sondern auch erspüren. Und schon Erfassen und Erspüren (von der Spur) zeigen anschaulich, warum den Menschen deutscher Sprache das Deutsche im wahrsten Sinne mehr bedeutet als ein Fremdwort. Das Fremdwort transportiert eine Information, die der Adressat noch dekodieren muss; das Deutsche befördert eine Botschaft, die ihr Empfänger sofort versteht. Es kommt hinzu, dass manch einen das eigene Fremdwort überfordert.

Mir ist es so gegangen, als ich einmal vom Irrtum als einem »psychologischen Tatbestand« schrieb, aber doch einen psychischen Tatbestand meinte: Einen Befund in der Psyche statt in der Wissenschaft von ihr (5). Dergleichen kommt öfter vor, als viele denken! Ein anderes Beispiel, auf das Hardtung in seinem Skript zur Methodik aufmerksam macht (6):

Der folgende Beitrag steht paradigmatisch für eine zu weit gehende Einflussnahme der Kriminalpolitik auf die Strafrechtsdogmatik.

Das heißt: Der folgende Beitrag ist ein gutes Beispiel für eine zu weit gehende Einflussnahme der Kriminalpolitik auf die Strafrechtsdogmatik. Wie bedauerlich!

4. Verhindere Ketten aus Präpositionen und Artikeln!

Eine Präposition ist eine Art Wegweiser: Sie sagt dem Leser, wie er sich zu dem Gegenstand zu stellen habe, den das folgende Hauptwort bezeichnet. Etwa stößt er in einem Gesetz auf eine Vorschrift, bei der ihn kaltes Grauen packt. Natürlich verwirrt es ihn, wenn er kurz oder gar unmittelbar hintereinander Wegweiser lesen muss, die ihn in unterschiedliche Richtungen schicken. Juristische Texte tun dies mit von großer Gleichgültigkeit ihren Lesern gegenüber zeugender Beharrlichkeit, die durch das in der Vielzahl der Fälle zu beobachtende Einstreuen von Artikeln nicht gebessert wird.

Oder wer versteht dies im ersten Anlauf: »Ein Anwalt oder ein anderer Rechtsbeistand, welcher bei den ihm in dieser Eigenschaft anvertrauten Angelegenheiten in derselben Rechtssache beiden Parteien durch Rat oder Beistand pflichtwidrig dient, wird […] bestraft« (§ 356 Abs. 1 StGB). Abhilfe schafft schon ein Relativsatz:

Dient ein Anwalt oder ein anderer Rechtsbeistand bei den Angelegenheiten, die ihm in dieser Eigenschaft anvertraut sind, und in derselben Rechtssache pflichtwidrig beiden Parteien durch Rat oder Beistand, so wird er […] bestraft.

5. Bezeichne Gleiches mit gleichen Worten!

Für seinen Deutschaufsatz legt man dem Gymnasiasten ans Herz, er möge den Ausdruck variieren, das heißt Synonyme suchen. Auch die Journalisten setzen sich unter diesen Druck; Ergebnisse sind dann zum Beispiel der unvermeidliche »Karlsruher Richterspruch« für ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts oder der »Bolide« für einen Formel-1-Rennwagen.

In den Texten der Juristen ist es nun aber so, dass ein Wechsel des Ausdrucks beim Leser eine Warnlampe zumindest zum Vorglühen bringt; denn es geht seinesgleichen – den Juristen – nun einmal oft um jedes Wort, und so hat er die nervöse Grunderwartung, dass Gleiches auch stur-verlässlich gleich bezeichnet werde. Anders jedoch dieser Satz aus einem strafrechtlichen Lehrbuch:

Dasselbe gilt, wenn BGHSt. 26,95 eine »Wortauslegung« für möglich hält, wonach auch derjenige Dieb vom Bestohlenen gemäß § 252 auf frischer Tat »betroffen« wird, der das Opfer niederschlägt, ohne von ihm vorher bemerkt worden zu sein.

Wer das arglos liest, sieht sich drei Personen gegenüber: dem Dieb, dem Bestohlenen und einem Opfer, das niedergeschlagen wird. Erst auf den zweiten Blick – und das ist zu spät – ergibt sich, dass der Bestohlene und das Opfer der Schläge identisch sind.

6. Grammatische Bezüge so klar wie möglich!

Die deutsche Grammatik ist zwar schwierig, aber doch nicht so vielfältig, dass sie lückenlos klarlegen könnte, welcher Satzteil sich auf welche anderen Teile des Satzes bezieht und auf welche nicht. Ein Beispiel aus dem Zivilrecht ist die Frage, ob sich in § 812 Absatz 1 BGB das »auf dessen Kosten« auch auf die Leistungskondiktion beziehe (»durch die Leistung eines anderen«); in § 325 a Absatz 2 StGB ist fraglich, ob auch die gefährdeten Tiere »von bedeutendem Wert« sein müßten. Beide Unklarheiten sind unnötig – wie alle Unklarheiten dieser Art.

§ 812 Absatz 1 BGB könnte lauten:

Wer auf Kosten eines anderen etwas ohne rechtlichen Grund erlangt, sei es durch eine Leistung oder in sonstiger Weise …

§ 325 a Absatz 2 StGB könnte lauten:

Wer beim Betrieb einer Anlage […] unter Verletzung verwaltungsrechtlicher Pflichten […] entweder Tiere gefährdet, die ihm nicht gehören, oder fremde Sachen von bedeutendem Wert, wird […] bestraft.

7. Falls möglich: Beispiele und Bilder!

Wir lieben nur das Individuelle – daher unsere große Freude an Bekenntnissen, Memoiren, Briefen und Anekdoten abgeschiedener, selbst unbedeutender Menschen.

Das stammt von Goethe; es wäre ebenso richtig, wenn es ein anderer gesagt hätte, aber die Stimme dieses multitalentierten und genialen Weltenbürgers verleiht der Botschaft doch einen spürbaren Nachdruck. Sie ist für uns noch mit einem wichtigen Zusatz zu versehen: Was wir lieben, was uns demnach besonders interessiert, hat auch besondere Aussicht, im Gedächtnis zu bleiben.

Wer einen Fall aus dem Leben erzählen kann, der auch nur ein unverwechselbares Detail aufweist, findet damit stets höhere Aufmerksamkeit und im Gedächtnis des Zuhörers ein stärkeres Echo als mit einem synthetischen Sachverhaltsarrangement. A und B verschwinden alsbald im Sumpf des Vergessens, ein Herrenreiter und der Agent Stachynskij nicht. Das gilt entsprechend für alle Elemente eines Falles, vom Ort des Geschehens bis hin zu einem markanten O-Ton (»Moos raus!«). Zudem mag es manchen heilsam ernüchtern, wenn er seiner hochgestimmten Theorie in Beispielen eine irdische Entsprechung suchen muss, denn »leicht beieinander wohnen die Gedanken, doch hart im Räume stoßen sich die Sachen« (Schiller, Wallenstein II, 2).

Wie lebensnahe Beispiele erleichtern es auch Bilder dem Leser, Texte zu verstehen. Das Auge ist mit großem Abstand unser wichtigstes Sinnesorgan, und daher denkt der Mensch auch am liebsten und besten in Bildern. Nicht von ungefähr verlangen die Techniken, das Gedächtnis zu schärfen, das fragliche Datum gedanklich mit einer bestimmten bildhaften Vorstellung zu koppeln, zum Beispiel die Zahl 2 mit dem Bild eines Schwans.

Und nicht von ungefähr habe ich aus Zimmermanns Vorstellung der juristischen Bücher des Jahres 2004 vor allem die berechtigte Klage über die Inflation vermeintlich neuer Rechtsgebiete behalten, die sich aus dem allgemeinen Zusammenhang lösen und dann aus dem Blickfeld der anderen »wie Eisschollen in den Nebel« verschwinden. Indes ist gerade für studentische Arbeiten zu beachten, dass eine Textgattung stilistische Grenzen haben kann; die Stilebenen, die einem Ordinarius für sein Lehrbuch offenstehen, mögen in Haus- und Seminararbeiten den Korrigierenden deplaziert erscheinen, so dass für diese Texte eine gewisse sprachliche Zurückhaltung anzuraten ist. Besonders in Hausarbeiten und Klausuren findet das Biedere und Gewohnte, ja ästhetisch Minderwertige oft eine gnädigere Aufnahme als das sprachliche Glanzlicht oder ein unkonventionelles Beispiel.

IV. Schönheit vor Schund

Auch für diesen Teil will ich sogleich klarstellen, worum es nicht geht, nämlich nicht um Stilblüten. Sie sind zwar die stille Freude jedes Lesers und füllen Bücher, die keinen Absatzmangel leiden. Man findet sie auch erstaunlich leicht und schnell, etwa wenn in einer Entscheidung des EGMR die Rede ist von einem »Antrag des Beschwerdeführers, einen Sachverständigen einzuholen« (7).

Aber dass Sie, lieber Leser, in dieser Hinsicht keine Unterweisungen nötig haben, setze ich voraus. Zudem sind die Möglichkeiten, sich ein »A« auf dem Korrekturrand einzuhandeln, so vielfältig, dass es ausgeschlossen ist, sie auf knappem Raum und mit System zu behandeln. In der Regel verdanken sie sich schlichtweg einer Flüchtigkeit des Schreibenden, und gegen die ist nur ein Kraut gewachsen: den Text nach mindestens einem Tag erneut und ausgeschlafen lesen. Demgegenüber soll das Folgende einige Regeln empfehlen, die zu befolgen einen ordentlichen zu einem guten Text machen kann.

1. Verben statt Hauptwörter!

Hohes Misstrauen ist gegenüber allem angebracht, das auf »heit«, »keit« oder »ung« endet. Juristen schreiben gerne, dass eine Versammlung stattfindet, eine Zahlung erfolgt, dass jemand eine Handlung vornimmt oder eine Durchsuchung durchführt.

Wer aber auf das Tun der Menschen achtet, schreibt, dass sich Menschen versammeln, dass jemand zahlt oder handelt und dass die Polizei eine Wohnung durchsucht. Diese Fassungen zwingen auch dazu, den Handelnden zu nennen, während die Hauptwörterei den Akteur im Unklaren lässt, den der Leser indes gerne wüsste. Vor allem jedoch machen es dem Leser Verben leichter, den Text zu verstehen. Das mag verwundern, ist aber experimentell erwiesen und auch einsichtig, wenn man bedenkt, dass die Neugierde des Menschen zuvörderst seinesgleichen gilt, und das heißt der menschlichen Tat und nicht dem sächlichen Hauptwort.

2. Aktiv statt Passiv!

So dies möglich ist, sollten die Verbformen im Aktiv stehen und das Passiv meiden, notfalls mit Hilfe des unpersönlichen »man«. Es klingt doch anders, ob ich sage: »Nachdem die Mutter ihr Kind getötet hatte, beseitigte sie die Spuren der Tat.« Oder ob ich sage: »Nachdem das Kind getötet worden war, wurden die Spuren der Tat beseitigt.« Das Erste ist eine Tat, das zweite ein Naturereignis. Denn nur in der ersten Formulierung gibt es auch einen Täter, während ihn die passive Fassung verschweigt. In der Verbindung mit seiner Angst, ein »ich« ins Spiel zu bringen, führt die Neigung des Juristen zum Passiv auch leicht zu echter sprachlicher Härte (bis Komik), etwa in dieser Drohung: »Darauf wird noch zurückgekommen werden.« Eine Formulierung, die ich keineswegs erfunden habe.

Neben der Kenntnis vom Handelnden, die das Aktiv verschafft, und neben dem Vorteil, lebendiger zu sein, verringert es die Zahl der Worte; denn das Passiv verlangt immer mindestens zwei Verbformen, wo sich das Aktiv oft mit einer begnügt (er kaufte die Ware./. die Ware wurde von ihm gekauft). Diese Verdoppelung verführt dann auch dazu, zwischen die beiden Verbformen allerhand zu schieben, das dort nicht hingehört; ein abschreckendes Beispiel steht oben unter III. 1. Allerdings muss ich – wenn auch ungern – für Hausarbeiten und Klausuren erneut einschränkend ergänzen, dass der deutsche Rechtswissenschaftler allzu oft mit einer Ich-Phobie geschlagen ist, die es ihm verbietet, ich, mich oder mir zu sagen, dass er dann die gleiche Phobie auch von seinen Studenten erwartet und dass sie dem manchmal mit einem Passiv am Besten entsprechen können.

3. Konjunktiv und indirekte Rede

Ständig hat ein Jurist die Ansichten anderer zu referieren. Es gibt einige Wörter, mit denen er dies im Indikativ tun kann (und muss!): gemäß, nach herrschender Ansicht, der Rechtsprechung zufolge ist… Häufiger jedoch bedient er sich der indirekten Rede, und dann lautet die erste, oft missachtete Regel, dass dies den Konjunktiv I verlangt. Er sagt, sie habe (statt hätte), es sei (statt wäre), er gehe (statt ginge oder gar würde gehen).

Hiervon gibt es vier Ausnahmen.

Die erste ist der Wunsch des Schreibenden, deutlich zu machen, dass die Rede stimmt. Dann verwendet er den Indikativ: »Mein Mandant hat schon mehrfach betont, dass er tatsächlich interessiert ist.«

Die zweite Ausnahme ist das Gegenteil, die falsche Rede, die in einem Konjunktiv II deutlich wird: »Ihr Mandant behauptet zu Unrecht, er wäre interessiert.« Man dürfte in diesem Satz aber auch das »sei« verwenden; es ist dies eine Frage des Geschmacks.

Die dritte und die vierte Ausnahme fuhren ebenfalls zum Konjunktiv II.

Die dritte Ausnahme ist der Fall, dass der Konjunktiv I dem Indikativ gleicht, folglich als Konjunktiv nicht zu erkennen wäre: »Mein Mandant glaubt, Sie hätten kein Interesse« (statt haben = Indikativ).

Die vierte Ausnahme richtet sich wieder nach dem Geschmack des Verfassers. Er darf nämlich auch zum Konjunktiv II übergehen, wenn ihm der Konjunktiv I zu geschraubt klingt. Vielen geht es so mit den zweiten Personen des Singulars und des Plurals, also mit (du) habest, seiest und (ihr) habet und seiet und so fort. Wie gesagt, eine Frage des Geschmacks. –

Eine unechte fünfte Ausnahme ist der Konjunktiv II aus der direkten Rede. Er bleibt in der indirekten Rede erhalten, die dem Konjunktiv I insoweit versperrt ist: »Die Klage könnte Erfolg haben« wird also zu: »Er sagt, dass die Klage Erfolg haben könnte« (statt könne). Schließlich zu dem Fall, dass man zum Konjunktiv II greifen will oder muss, aber dessen Form dem Präteritum/Imperfekt gleicht und an der fraglichen Stelle auch mit dem Imperfekt verwechselt werden könnte. Dann darf man »würde« verwenden. »Es fehlen zwei Unterschriften« kann also werden zu: Er berichtete, dass zwei Unterschriften fehlen würden (tatsächlich waren beide vorhanden). Ein »fehlten« riefe in diesem Satz zu Unrecht den Eindruck hervor, dass der Bericht auch stimmte.

Ganz zuletzt noch die Warnung vor Modewörtern und Sprachklischees. Allgemeine Codewörter, die aber auch in juristischen Texten hoch im Kurs stehen, sind beispielsweise »konkret « und »massiv«. Beide lassen sich meist ersatzlos streichen, und wenn ich etwa lese, jemand habe massiv einen Vertrag verletzt, so denke ich sofort: also halb so wild, denn es gebraucht derzeit jeder Hanswurst das Wort »massiv«, um noch dem Langweiligsten und Gewöhnlichsten eine möglichst fette Schlagzeile abzugewinnen. Was allerdings schon – oder wieder – Klischee und abgekaut ist, erschließt nur das Sprachgefühl. Das lässt sich zwar nicht kaufen, wohl aber verfeinern. Möge dieser Beitrag dafür eine Hilfe gewesen sein!

(1) Der Beitrag lehnt sich an einen Vortrag an, den ich am 7. Dezember 2004 gehalten habe vor Studierenden des Ergänzungsstudiengangs Rechtsinformatik am Institut für Rechtsinformatik der Juristischen Fakultät der Universität Hannover.
(2) Dafür, dass dieser Unterschied bedeutsam sei, der Aufsatz von HARTMANN, NJW 2004, 1358, sowie die Leserbriefe von STERZINGER-GRAF, NJW 24/2004, S. XVIII und DELANK, NJW 31/2004, S.XVI; dagegen der Leserbrief von HASSOLD, NJW 24/2004, S.XVI.
(3) Siehe Art. 2-4 der Richtlinie 98/59/EG des Rates vom 20.7.1998, ABl. L 225 S. 16; EuGH ZIP 2005, 230 ff.
(4) Richtlinie Nr. 93/13/EWG des Rates vom 5. April 1993, AB1EG Nr. L 95/29.
(5) Betrugsstrafrecht in Frankreich und Deutschland (1999), S. 172, 175; mit Recht gerügt von PAWLIK in seiner Besprechung in GA 2001, 342 (343).
(6) Abzurufen unter http://www.jura.uni-rostock.de/Hardtung/index.htm (4. Kap. Rdn. 333).
(7) NJW 2003, 2893 (2894) P.S. ./. Deutschland.

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