Epiktet, ein von Nero freigelassener Sklave, war ein stoischer Philosoph, geboren um 50 n. Chr. in Hierapolis/Phrygien, gestorben um 140 n. Chr. in Nikopolis/Epirus.

Seine „Unterredungen“ stellen die Philosophie der Stoa in den Dienst der praktischen Lebensweisheit.

In dem Handbüchlein der Moral, Kapitel 29, finden sich lehrreiche Ausführungen über die grundsätzliche Frage, wie man erfolgreich Aufgaben bewältigt.

Bei jedem Geschäfte prüfe zuerst genau, was ihm vorangehen muß und was es mit sich bringt; dann erst beginne es. Sonst wirst du, wenn du die notwendigen Folgen nicht überlegst, anfangs willig beginnen, wenn aber Schwierigkeiten sich zeigen, mit Beschämung zurücktreten müssen.

Du willst z.B. einen Preis bei den olympischen Spielen gewinnen. Ich auch, bei den Göttern, denn das ist ruhmvoll. Aber überlege zuerst, was solchem Werke vorangeht und was nachfolgt, dann greife es an. Du mußt dich in strenger Zucht halten, nach Zwangsregeln essen, aller Leckerbissen dich enthalten, dich nach strengem Befehl zu bestimmten Stunden in Hitze und Kälte üben, nichts Kaltes trinken, nicht ohne Vorsicht Wein trinken, mit einem Wort, du mußt dich dem Lehrmeister gerade wie einem Arzt übergeben. Dann mußt du auf den Kampfplatz treten. Dabei ist es möglich, daß du eine Hand oder einen Knöchel verrenkst, viel Staub verschluckst, vielleicht sogar geschlagen und dann erst noch besiegt wirst. Dies erwäge genau, und erst, wenn du dann noch Lust hast, so werde ein Kämpfer. Sonst verfährst du wie die Kinder, die bald Ringer, bald Fechter spielen, bald Trompeter, bald Schauspieler vorstellen. So machst du es. Jetzt bist du ein Ringkämpfer, dann ein Fechter, dann ein Redner, dann ein Philosoph, von ganzer Seele aber nichts, sondern du ahmst nur wie ein Affe nach, was du jeweilen siehst und es gefällt dir eines nach dem anderen. Du bist eben nicht mit Überzeugung und gehöriger Voraussicht an die Sache gegangen, sondern leichtfertig und mit bald wieder erkaltender Begierde. Wenn einige einen Philosophen sehen oder sagen hören: „Wie doch Euphrates reden kann! Keiner kommt ihm darin bei“, so wollen sie sogleich auch Philosophie studieren. Mensch, erwäge zuerst genau, was eine Sache erfordert, und dann betrachte dich selbst, ob du ihr gewachsen seiest. Du willst ein Athlet in den fünf Spielen sein, oder ein Ringkämpfer; siehe deine Arme, deine Schenkel, deine Lenden an. Nicht jeder ist zu allem geschaffen. Oder glaubst du, daß du dabei ebenso wie sonst essen, trinken, zürnen könntest? Du mußt vielmehr wachen, arbeiten, dich von Freunden absondern, selbst von Sklaven dich geringschätzen lassen und in allem zurückstehen, in Ehre, Ämtern, Gerichten und allen Geschäften. Erwäge, ob du dagegen Leidenschaftslosigkeit, Freiheit, Unbeugsamkeit eintauschen willst, sonst würdest du wie die Knaben bald Philosoph, bald Finanzmann, dann wieder Redner und zuletzt gar kaiserlicher Prokurator werden wollen. Diese Dinge passen nicht zusammen.

Du mußt ein einheitlicher Mensch sein, ein guter oder ein schlechter. Du mußt entweder den vornehmsten Teil deines Ichs (Verstand, Vernunft, Geist) oder die Außenseite ausbilden, auf Inneres oder Äußeres bedacht, entweder ein Philosoph oder ein gewöhnlicher Mensch sein.

(Text via Projekt Gutenberg, Study Hacks)

Verstaubte Gedanken aus der Vergangenheit oder lässt sich den Überlegungen von Epiktet auch heute noch etwas abgewinnen?

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